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MOTORISCHE ERSATZOPERATIONEN
Wenn eine Nervenrekonstruktion nicht mehr möglich ist oder nicht erfolgreich war, besteht noch die Möglichkeit, eine sogenannte „motorische Ersatzplastik“ durchzuführen. Dieser Begriff beinhaltet, dass die vorhandene Muskelfunktion neu verteilt wird, um ein Gleichgewicht zu erzielen. Solche Ersatzplastiken müssen individuell mit dem Patienten erarbeitet werden. Hierbei gilt es, vorhandene Funktionen so umzusetzen, dass die geschädigte Funktion wieder durchgeführt werden kann, ohne die bestehenden Funktionen zu beeinträchtigen. Dies ist bei einer Vielzahl von Nervenverletzungen möglich. So z.B. bei Läsionen des Arm-Nervengeflechtes oder bei annähernd jeder Verletzung eines Nervs an der oberen oder auch unteren Extremität. Wichtig ist, dass jede Umsetzung von Sehnen und Muskeln vor der Operation exakt geplant und mit der Physiotherapie besprochen wird. Nach der meist langen Ruhigstellungszeit (zwischen 6 und 12 Wochen) schliesst sich eine Umlernphase an, in der der Patient lernen muß, dass der Muskel eine neue Funktion ausübt.
Bei Lähmungen der Abspreizmuskulatur der Schulter ist es möglich, den Trapezius-Muskel so umzusetzen, dass dieser das Abspreizen der Schulter übernehmen kann. Hierbei werden Anteile des Trapezius mobilisiert und dann am Oberarm verschraubt. Damit dieser Muskel an der neuen Stelle einheilen kann, ist eine Ruhigstellung von mindestens 8 bis 12 Wochen in einer Schiene notwendig, in der der Arm komplett vom Körper ferngehalten wird (sogenannte Thorax-Abduktionsschiene). Danach beginnt die Krankengymnastik, die intensiv durchgeführt werden muß. Mit dieser Operationsmethode ist eine Abspreizung des Arms vom Körper in der Regel um 60 Grad zu erzielen. Vereinzelt können auch bessere Ergebnisse erreicht werden.
Die Fallhand ist nach Verletzung des Speichennervs eine der häufigsten Lähmungen. Hierbei können das Handgelenk, die Finger sowie der Daumen nicht mehr gestreckt werden. Dies ist für den Alltag dermaßen behindernd, dass eine Rekonstruktion der Funktion durchgeführt werden sollte. Hier können vom Unterarm der einwärts drehende Muskel (Pronator teres) und ein Handgelenksbeuger (Flexor carpi ulnaris) zur Streckung des Handgelenks und der Finger genutzt werden. Für die Streckung des Daumens wird der sogenannte Handinnenflächenspanner (Palmaris longus) benutzt. Die Umsetzung wird in einer Operation durchgeführt. Sodann muß die Hand für 6 Wochen in einer Schiene ruhiggestellt werden. Es folgt dann die intensive Krankengymnastik, die am Anfang sehr schwierig erscheint, da die Muskeln vorher andere Funktionen durchgeführt haben und der Patient hier umlernen muss.
Eine Gesichtsnervlähmung kann z.B. als Folge der Geburt oder nach Entfernung von Tumoren im Gehirn entstehen. Es finden sich aber auch Fälle ohne erkennbare Ursache. In Abhängigkeit vom Alter des Patienten stehen verschiedene Operationsverfahren zur Verfügung, die sich auf das Auge und den Mund konzentrieren. Bei jungen Patienten kann in zwei Operationsschritten der gesunde Gesichtsnerv der Gegenseite „angezapft“ und dann über die Transplantation von gesundem Muskelgewebe auf der kranken Seite ein symmetrisches Lächeln wiederhergestellt werden. Für den fehlenden Lidschluss, der das Auge beeinträchtigt und austrocknen läßt, kann eine sogenannte Temporalismuskel-Umsetzung durchgeführt werden. Hierbei werden Anteile des Schläfenmuskels auf das Auge umgelenkt, so dass über den Schläfenmuskel ein Augenschluss erfolgt. Es gibt zudem auch noch Möglichkeiten, über eine statische Aufhängung des Mundwinkels eine gewisse Symmetrie des Gesichtes zu erzielen. Die Chirurgie von Gesichtsnervlähmungen ist sehr komplex und bedarf einer genauen operativen Planung.
Bei Verletzungen des Wadenbeinnervs (Peroneus) ist die Fußhebung ausgefallen. Dies führt zu dem sogenannten Steppergang. Dies ist störend für den Patienten und behindert eine normale Fortbewegung. Hier sollte eine Umsetzung eines Muskels aus dem hinteren Teil des Fußes nach vorne erfolgen (sogenannte Tibialis posterior Umsetzung). Hierbei wird von der Innenseite des Fußes der hintere Schienbeinmuskel (Tibialis posterior) mit einer Knochenschuppe entfernt und durch das Bein nach vorne geleitet. Die Knochenschuppe wird dann am Fuß festgeschraubt. Der Fuß muss in einem Unterschenkelgips für 8 Wochen ruhiggestellt werden. Nach Einheilen des Muskels kann dann mit der Übungsbehandlung begonnen werden, wobei zunächst noch die Peroneus-Schiene belassen werden muss. Das Umlernen gestaltet sich hierbei schwierig, da der Muskel primär eine andere Funktion hatte. Im Verlauf der Behandlung allerdings kann die neue Funktion gut erlernt werden.